Home-Bias an der Börse?
Bester Jahresstart des deutschen Aktienindex seit vielen Jahren
von Marc André Buczek
Diese oder eine ähnlich lautende Schlagzeile hat vermutlich fast jeder in den letzten Tagen wahrgenommen. Doch wie steht es wirklich langfristig um deutsche Aktien?
Langfristig gelingt es nur wenigen deutschen Aktien, einen hohen Wert für ihre Anleger zu schaffen. So zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie, dass seit 2003 gerade einmal zwölf der über 1000 gelisteten Titel für die Hälfte des geschaffenen Wertes verantwortlich sind.
Dabei sind deutsche Anleger übermäßig stark vom sogenannten Home-Bias betroffen, investieren also überwiegend in ihr eigenes Land. So flossen zwischen 2016 und 2021 48% aller Aktieninvestments deutscher Investoren auch in deutsche Unternehmen. Als ein möglicher Grund des Home-Bias wird die wahrgenommene Kontrolle über das Investment beschrieben. Sinngemäß: „Ich laufe regelmäßig am Siemens-Betriebstor vorbei, das Unternehmen scheint noch zu existieren, ich habe Kontrolle.“
Renommierte Studien zeigen jedoch, dass sich ein starker Home-Bias negativ auf die Performance UND das Risiko des Investments auswirken. Auch deswegen investieren wir bei der Ringelstein & Partner Vermögensbetreuung überwiegend global diversifiziert in politisch stabile Länder. Dabei ist Deutschland natürlich ein mögliches Investitionsziel, doch investieren wir bewusst selektiv und vermeiden einen größeren Home-Bias. Denn: „Diversification is the only free lunch.“ (Harry Markowitz)
Zinsen folgen oder investieren?
Die Zinsschlacht hat begonnen, muss ich überhaupt noch investieren?
von Marc André Buczek
Mit den zuletzt deutlichen Zinsschritten der europäischen Zentralbank kehrt auch eine fast schon in Vergessenheit geratene Ertragsform zurück: Zinsen auf Bankguthaben. Spätestens mit den medienwirksamen Zinsverkündigungen der Neobroker Scalable & TradeRepublic wächst auch der Druck auf traditionelle Banken. Bei Guthabenzinsen auf liquide Investments um die 2 % p.a., nehme ich im Kunden,- Freundes- und Bekanntenkreis häufiger Erleichterung wahr. Die unbequeme Suche nach einer alternativen Anlageform scheint beendet. Liquide Konten sind wieder mehr als ein reiner Sparschweinersatz.
Doch ist diese Vorgehensweise sinnvoll?
Schauen wir rein auf den nominalen Zins von 2%, so ist dieser im Verhältnis zu den letzten Jahren durchaus attraktiv. Ausschlaggebender für ein Investment sollte jedoch der Realzins sein, also der Zins abzüglich der Inflationsrate. Bei einer Inflation von zuletzt 8,7% (YoY), beträgt der reale Zins damit faktisch -5,7 % p.a.. Damit ist der Realzins bedeutend niedriger als noch vor einigen Jahren, als wir im Nullzins feststeckten, die gemessene Inflationsrate jedoch deutlich unter 2% verharrte. Insbesondere für langfristige Investments ist folglich die Suche nach einer realen Rendite wichtiger als zuvor.
Aber heute investieren, ist das nicht der falsche Zeitpunkt?
Mit den heutigen Rahmenbedingungen Krieg in Europa, Energiekrise, Inflation, Kursen nahe den Höchstständen und vielen mehr, mag der Einstieg in die Kapitalmärkte schwerfallen. Historisch gesehen, ist gestern der beste Einstiegszeitpunkt gewesen. Studien zeigen, dass bei regelmäßigen jährlichen Investments, selbst mit dem Schlechts möglichen Timing, langfristig eine höhere Rendite erzielt wurde, als wenn nicht investiert wird. Wie ein altes Börsianer Sprichwort so schön sagt: „it’s not about timing the market, but about time in the market“. Auch ein Grund, warum wir bei der Ringelstein & Partner Vermögensbetreuung Langfristinvestoren sind und versuchen in unruhigen Zeiten ruhige Hand zu bewahren und nicht in kurzfristigen Aktionismus zu verfallen.
Zudem ergeben sich durch den Zinsanstieg am Kapitalmarkt ebenfalls neue Möglichkeiten. Selbst kurzlaufende Staats- und Unternehmensanleihen mit guter Bonität bieten wieder attraktive Renditen oberhalb des Einlagenzinssatzes.
Lange Rede kurzer Sinn, für Gelder die als Notfallreserve gedacht sind oder die in den nächsten 12-24 Monate benötigt werden, ist der Zinsanstieg ein warmer Nieselregen. Für eine langfristige Kapitalanlage erachte ich jedoch ein breites Investment am Kapitalmarkt für sinnvoller.
Thesaurierend oder Ausschüttend?
Welcher Anlagestil passt zu mir?
von Dörthe Mehlhorn
Lieber den „Spatz in der Hand“ oder die „Taube auf dem Dach“? Bei der Festlegung der Anlagestrategie stehen Anleger oft der Frage gegenüber, ob thesaurierende, also gewinneinbehaltende, oder ausschüttende Investments bevorzugt werden. Beide Formen haben ihre Vor- und Nachteile.
Das passive Einkommen
Ausschüttungen aus Kapitalanlagen werden häufig als passives Einkommen bezeichnet. Je nach Auswahl der Wertpapiere im Depot, ob Aktien, Anleihen, Fonds oder ETFs, können Ausschüttungstermine nahezu für jeden Monat des Jahres zusammengestellt werden, so dass das eigene Haupteinkommen (ob Arbeitsentlohnung oder Rente) aufgebessert werden kann. Ob für die Deckung der Lebenshaltungskosten oder das Ansparen für die Urlaubskasse.
Reinvestition bei Marktopportunitäten
Während thesaurierende Investments ihre Gewinne sofort reinvestieren, was sich i.d.R. in einem höheren Kurs- bzw. Anteilswert niederschlägt, überlässt die ausschüttende Variante dem Anleger die Entscheidung, wann und wie er mit den Gewinnen verfahren will. Dies kann die Chance bieten, mit der Reinvestition zu warten, bis ein gesunkener Kurs einen günstigeren Wiedereinstieg ermöglicht, oder aber die Ausschüttung für eine andere Anlage zu verwenden, die das Portfolio (weiter) diversifiziert. Dies erfordert allerdings Disziplin und die regelmäßige Beschäftigung mit dem eigenen Depot und den Marktgegebenheiten.
Patt bei Transaktionskosten
Oft wird argumentiert, dass Ausschüttungen gebührenfrei auf dem Konto eingehen, bei Liquiditätsbedarf bei einem thesaurierenden Investment dagegen Anteile gebührenpflichtig verkauft werden müssen. Dieser Vorteil kehrt sich jedoch beim Thema Wiederanlage um.
Auch der oft angeführte Nachteil der sofortigen Besteuerung von Ausschüttungen (nach ausgeschöpftem Sparer-Pauschbetrag von derzeit 1000 Euro bei Einzelpersonen bzw. 2000 Euro bei Ehepaaren) muss relativiert werden, nachdem die Bundesbank den für die Berechnung der Vorabpauschale relevanten Basiszins nach zwei negativen Jahren nun auf 2,55% für 2023 angehoben hat. Mit der Vorabpauschale wird bei thesaurierenden Fonds ein fiktiver Wertzuwachs vorab besteuert. Ist der Wertzuwachs größer als der Basiszins, bleibt ihnen ein kleiner Steuerstundungseffekt erhalten. Im Ergebnis kommt jedoch keine der beiden Ertragsverwendungsformen um eine Besteuerung herum.
Amortisation
Für manchen Anleger ist die Frage interessant, wann sich sein Investment amortisiert hat, wann also die Summe der Gewinnausschüttungen über die Jahre die ursprünglichen Anschaffungskosten beglichen bzw. überschritten hat. Denn ab dann ist es – zumindest gefühlt – leichter, die Kursschwankungen des Investments auszuhalten und das (im Fall der Aktie) verbundene unternehmerische Risiko zu tragen. Natürlich ist diese Sicht stark vereinfacht und die Rechnung müsste auch um Faktoren wie Inflation, Kaufkraft und entgangene Steuerstundungseffekte erweitert werden. Doch der psychologische Faktor des „Spatz in der Hand vs. Taube auf dem Dach“ ist nicht zu unterschätzen.
Fazit
Werden die Gewinne aus einem Investment bewusst zur Deckung der Lebenshaltungskosten oder zur Aufbesserung der Haushalts- bzw. Urlaubskasse benötigt, ist das ausschüttende Investment sicher keine schlechte Wahl. Wird das Kapital erst in der Zukunft, z.B. für die Altersvorsorge, benötigt oder hat man nicht die Zeit (oder Lust) sich ständig mit der Frage der Neu-Anlage zu beschäftigen, kann thesaurierend von Vorteil sein. Viele Anleger werden sicherlich eine Mischung beider Varianten in ihren Depots vornehmen. Beiden Anlageformen ist jedoch gemein, dass sie den Anleger nicht von der Verantwortung entbinden, das eigene Portfolio regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen, ob es – auch in dieser Frage – noch zur eigenen Lebenssituation passt.