Welcher Anlagestil passt zu mir?

von Dörthe Mehlhorn

6. Februar 2023

Lieber den „Spatz in der Hand“ oder die „Taube auf dem Dach“? Bei der Festlegung der Anlagestrategie stehen Anleger oft der Frage gegenüber, ob thesaurierende, also gewinneinbehaltende, oder ausschüttende Investments bevorzugt werden. Beide Formen haben ihre Vor- und Nachteile.

Das passive Einkommen

Ausschüttungen aus Kapitalanlagen werden häufig als passives Einkommen bezeichnet. Je nach Auswahl der Wertpapiere im Depot, ob Aktien, Anleihen, Fonds oder ETFs, können Ausschüttungstermine nahezu für jeden Monat des Jahres zusammengestellt werden, so dass das eigene Haupteinkommen (ob Arbeitsentlohnung oder Rente) aufgebessert werden kann. Ob für die Deckung der Lebenshaltungskosten oder das Ansparen für die Urlaubskasse.

Reinvestition bei Marktopportunitäten

Während thesaurierende Investments ihre Gewinne sofort reinvestieren, was sich i.d.R. in einem höheren Kurs- bzw. Anteilswert niederschlägt, überlässt die ausschüttende Variante dem Anleger die Entscheidung, wann und wie er mit den Gewinnen verfahren will. Dies kann die Chance bieten, mit der Reinvestition zu warten, bis ein gesunkener Kurs einen günstigeren Wiedereinstieg ermöglicht, oder aber die Ausschüttung für eine andere Anlage zu verwenden, die das Portfolio (weiter) diversifiziert. Dies erfordert allerdings Disziplin und die regelmäßige Beschäftigung mit dem eigenen Depot und den Marktgegebenheiten.

Patt bei Transaktionskosten

Oft wird argumentiert, dass Ausschüttungen gebührenfrei auf dem Konto eingehen, bei Liquiditätsbedarf bei einem thesaurierenden Investment dagegen Anteile gebührenpflichtig verkauft werden müssen. Dieser Vorteil kehrt sich jedoch beim Thema Wiederanlage um.

Auch der oft angeführte Nachteil der sofortigen Besteuerung von Ausschüttungen (nach ausgeschöpftem Sparer-Pauschbetrag von derzeit 1000 Euro bei Einzelpersonen bzw. 2000 Euro bei Ehepaaren) muss relativiert werden, nachdem die Bundesbank den für die Berechnung der Vorabpauschale relevanten Basiszins nach zwei negativen Jahren nun auf 2,55% für 2023 angehoben hat. Mit der Vorabpauschale wird bei thesaurierenden Fonds ein fiktiver Wertzuwachs vorab besteuert. Ist der Wertzuwachs größer als der Basiszins, bleibt ihnen ein kleiner Steuerstundungseffekt erhalten. Im Ergebnis kommt jedoch keine der beiden Ertragsverwendungsformen um eine Besteuerung herum.

Amortisation

Für manchen Anleger ist die Frage interessant, wann sich sein Investment amortisiert hat, wann also die Summe der Gewinnausschüttungen über die Jahre die ursprünglichen Anschaffungskosten beglichen bzw. überschritten hat. Denn ab dann ist es – zumindest gefühlt – leichter, die Kursschwankungen des Investments auszuhalten und das (im Fall der Aktie) verbundene unternehmerische Risiko zu tragen. Natürlich ist diese Sicht stark vereinfacht und die Rechnung müsste auch um Faktoren wie Inflation, Kaufkraft und entgangene Steuerstundungseffekte erweitert werden. Doch der psychologische Faktor des „Spatz in der Hand vs. Taube auf dem Dach“ ist nicht zu unterschätzen.

Fazit

Werden die Gewinne aus einem Investment bewusst zur Deckung der Lebenshaltungskosten oder zur Aufbesserung der Haushalts- bzw. Urlaubskasse benötigt, ist das ausschüttende Investment sicher keine schlechte Wahl. Wird das Kapital erst in der Zukunft, z.B. für die Altersvorsorge, benötigt oder hat man nicht die Zeit (oder Lust) sich ständig mit der Frage der Neu-Anlage zu beschäftigen, kann thesaurierend von Vorteil sein. Viele Anleger werden sicherlich eine Mischung beider Varianten in ihren Depots vornehmen. Beiden Anlageformen ist jedoch gemein, dass sie den Anleger nicht von der Verantwortung entbinden, das eigene Portfolio regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen, ob es – auch in dieser Frage – noch zur eigenen Lebenssituation passt.


DÖRTHE MEHLHORN

Vermögensverwalterin

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